Prägende Bücher

Bücher sind Lebensbegleiter, Motivationkicks, Ansporn, öffnen Türen, schaffen Synapsen, legen Leitungen, knüpfen Beziehungen, erleuchten, klären, hinterlassen Spuren und verändern das Leben.

 

Das erste Buch, das bei mir einen bleibenden Einfluss hinterlassen hat, und das ich wieder und wieder gelesen habe, war:

- Die Rote Zora und ihre Bande, Kurt Held, 1941

Jahrelang habe ich gemeinsam mit meiner Schwester in der provençalischen Macchia versucht, Brombeergebüsche auszuhöhlen, um darin Schutz zu finden (meist erfolglos, ausser dass die Kleider zerrissen und Arme, Beine und Hände zerkratzt und zerstochen wurden). Wir haben Blutstropfen aus unseren Fingern gequetscht, um Freundschaften zu besiegeln und Wälder, Wildnis und Büsche erlebte ich als Orte der Freiheit und Ungebundenheit. Tief hat sich mir ausserdem die Bedeutung von Solidarität und Gerechtigkeit eingeprägt, welche der aus Nazideutschland entflohene Kurt Kläber alias Kurt Held seinem Kinderroman eingeschrieben hat.


Ein paar Jahre später, als ich ungefähr 14, 15 jährig war, las ich:

- Mein Name sei Gantenbein, Max Frisch, 1964

Mit der Lektüre dieses Buches begann ich erstmals zu ahnen, dass Identität nichts als ein Konstrukt ist, eine Geschichte, wie jede andere auch, welche jeder Mensch für sich erfinden - und falls er ihrer überdrüssig geworden ist - auch ändern kann. Dieser Gedanke hat mich seither immer wieder von Neuem umgetrieben.

 

Anfang Neunziger Jahre, mitten im Kunststudium an der F+F in Zürich, las ich die Biografie der grossen amerikanischen Malerin Georgia O'Keeffe:

- Georgia O'Keeffe,Das Leben der grossen amerikanischen Malerin, Laurie Lisle, 1986

Was mich an Giorgia O'Keeffe so faszinierte und gewissermassen für mein eigenen Leben auch wegweisend wurde, war weniger ihre Kunst, als ihr Lebensentwurf und die Radikalität, mit der sie ihren Weg gegangen war. Insbesondere die 40 Jahre ihres Lebens, welche sie zurückgezogen auf ihrer Ranch in New Mexiko verbrachte, malend, mit ihren Tieren, ihrem Garten, in ihren selbst genähten Kleidern, haben mich tief beeindruckt und geprägt.

 

Stellvertretend für viele Bücher von alten und zeitgenössischen Zen-Meistern und Zen-Praktizierenden möchte ich hier auf das Buch von Bernard Glassman hinweisen. Es ist für mich zu einem wichtigen Wegweiser geworden und erklärt unter anderem meine regelmässigen Auschwitz-Reisen:

- Zeugnis ablegen, Buddhismus als engagiertes Leben, Bernard Glassmann

Aufgewachsen in einem Nach-68er-Haushalt, gross geworden im Dritte-Welt-Laden ermuntert mich die Zen-Praxis seit 20 Jahren zum unermüdlichen In-Frage-Stellen und zu einem kreativ-skeptischen Umgang mit Ich, Welt und dem ganzen Drum und Dran. Besonders beeindrucken mich dabei Bernard Glassmans Praxisformen: Er lebt vor, was engagierter Buddhismus sein kann.

 

Seit ich am Gymnasium Alt-Griechisch und Latein gelernt habe, faszinieren mich fremde Sprachen. Seit langem trieb mich der Wunsch um, eine weitere Sprache mit fremder Schrift zu lernen. Nur wusste ich nicht welche. Bis mir ein Kochbuch in die Hände kam und kurz darauf die Biografie von Annemarie Schimmel.

- Morgenland und Abendland, Mein west-östliches Leben, Annemarie Schimmel

- ORIENT, Küche & Kultur, Barbara Lutterbeck und Jürgen Christ

Die beiden Bücher liessen meinen Wunsch konkret werden: Im Winter 2006/2007 kaufte ich mir in einer Buchhandlung in Berlin einen Arabisch - Lehrgang für das Selbststudium. Das Selbststudium stand ich ein Jahr lang durch - dann suchte ich mir eine Arabisch - Lehrerin in Bern.

 

In den vergangenen 10 Jahren habe ich unzählige Bücher gelesen. Ein paar davon sind hängen geblieben, manchmal ihre Geschichten, manchmal nur einzelne Bilder oder sogar nur Stimmungen. Hier eine kleine Auswahl davon:

- Schnee, Orhan Pamuk

Ein Buch, durch das ich mich gekämpft habe, dessen Lektüre mir alles andere als leicht gefallen ist. Im gottverlassenen Ort Kars am Rande der Türkei schneit es unablässig und höchst verwirrende (politische) Machenschaften tragen sich zu. Das Buch entführt einem und bietet trotz aller Verwirrung viele Einsichten in die Spannungen zwischen Orient und Okzident.

 

- 2666, Roberto Bolaño

Dieses Buch ist eine Wucht. Nicht nur sein Gewicht ist umwerfend, auch sein Tempo, die bildhafte Sprache und die rasante Fahrt kreuz und quer durch die verschiedensten und abartigsten Themen unserer Gegenwart. Keine einfache Kost und ohne Happy End. Aber absolut lesenswert.

 

- Parallel Geschichten, Péter Nádas

Auch dieses Buch wiegt schwer und war für mich keine einfache Lektüre. Mehrmals musste ich es zwischendurch weglegen, brauchte gewissermassen Kurzurlaub von diesem gewaltigen Gemälde, den unzähligen Geschichten, Schicksale und Figuren des geschundenen europäischen Kontinents. Aus den vielen parallelen Geschichten entsteht nicht ein dechiffrierbares Ganzes - aber es entsteigt dem Buch ein schwer beschreibbares Stimmungsbild, welches unvergesslich bleibt.